Am 12.09.2013 hat die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Neelie Kroes, einen Verordnungsentwurf zu einem einheitlichen europäischen Telekommunikationsmarkt vorgestellt. Dieser sieht vor, die Roaming-Gebühren ab 2016 abzuschaffen, aber stellt durch die Hintertür eine ungeahnte Gefahr für die Netzneutralität dar. Denn dadurch, dass die Passagen zur Netzneutralität in einem Regelungspaket für einen einheitlichen europäischen Telekommunikationsmarkt verankert sind, ist es möglich, dass diese national geltendes Recht umgehen können. Was bedeutet das nun für uns?
Was bedeutet Netzneutralität?
Netzneutralität bedeutet, dass jeglicher Datenverkehr wertneutral behandelt wird. Die Übertragung der Daten findet ungeachtet der Herkunft, der Art des Paketes und des Ziels statt. Dies ermöglicht auch die Verschlüsselung des privaten Internetverkehrs, da die verschlüsselten Daten in der Übertragung nicht benachteiligt werden dürfen.
Wie schaut das bei uns aus?
In Deutschland gibt es aktuell keinerlei Gesetze, welche die Netzneutralität schützen, und dadurch wird es immer unwahrscheinlicher, dass sich die großen Provider dauerhaft an das Prinzip der Netzneutralität halten werden. Das berühmteste Beispiel für so einen Fall wäre die Telekom, welche seit diesem Jahr ihre Tarife dahingehend geändert hat, dass ab einer bestimmten Menge von Datenaustausch die Geschwindigkeit, mit der die Daten den Kunden erreichen, reduziert wird und dass die eigenen Services bei der Verteilung der Geschwindigkeit einer Leitung priorisiert werden. Dies ist von der aktuellen deutschen Gesetzgebung nicht genauer geregelt und somit zulässig. Ein weiteres prominentes Beispiel für den Eingriff in die Netzneutralität in Deutschland wäre Kabel Deutschland, welches aktiv die Geschwindigkeit des Filesharing drosselt.
Eine Verordnung zur Netzneutralität wurde zwar von der ehemaligen Bundesregierung entworfen, aber bisher noch nicht zur Abstimmung freigegeben, und auch diese wird sowohl aus Kreisen der Wirtschaft als Wettbewerbseingriff als auch von den Befürwortern der Netzneutralität als nicht umfangreich genug kritisiert.
Eine richtige gesetzliche Verankerung der Netzneutralität haben somit nur die Niederlande und die Slowakei, welche trotzdem laut der Aussage von Kroes die einheitliche europäische „Netzneutralität“ bekommen werden, um eine Fragmentierung des „europäischen Binnenmarkts“ zu verhindern.
Fazit
Die Netzneutralität garantiert, dass es keine Frage des Kapitals ist, ob der eigene Inhalt den Kunden erreicht oder ob man selber als Verbraucher auf Inhalte uneingeschränkten Zugriff haben möchte. Und eben dies ist nicht genauer definiert. Die EU-Verordnung erlaubt es Unternehmen, bestimmten Inhalt zu priorisieren, solange der restliche Inhalt nicht benachteiligt wird. Wie eine solche Benachteiligung aussieht, steht nirgends geschrieben und lässt einen zu großen Interpretationsraum offen. Es fehlt zudem eine dezentrale Prüfstelle, welche zum Beispiel die Telekom überwachen würde, dass sie nicht priorisierten Inhalt nicht benachteiligt.
Natürlich müsste sich ein Anbieter, welcher bestimmte Inhalte priorisiert, zu allererst sämtliche Inhalte des Verbrauchers anschauen, um seinen priorisierten Inhalt auch bevorzugen zu können, was natürlich auf Kosten des Datenschutzes und der Privatsphäre geschieht.
Die Netzneutralität ist ein sehr hohes Gut, welches wir uns bewahren sollten. Die Risiken, dass zum Beispiel Größen wie Youtube bei den Internet-Anbietern für ihre Priorisierung bezahlen und somit sämtliche kleinere Videostream-Dienste nicht mehr am Wettbewerb teilnehmen könnten, wäre viel zu groß.
1 Gedanke zu „Die Netzneutralität in Gefahr“