Gestern bin ich auf Twitter über einen Artikel von Kashmir Hill gestoßen. Kashmir Hill hat in einem spannenden Selbstversuch zuerst die großen fünf Player der IT einzeln aus ihrem Leben verbannt und dann, für eine Woche, alle auf einmal. Mit den großen Fünf sind hier Amazon, Microsoft, Apple, Facebook und Google gemeint. Der Bericht ist durchaus lesenswert und gespickt mit überraschenden Erkenntnissen. Zum Beispiel, wie relevant die großen Anbieter in der Alltagskommunikation sind und wie schwer es ist, Alternativen zu finden. Hier ein paar Auszüge aus ihrem Text:
„Zu Beginn des Experiments wurde mir zum Beispiel klar, dass ich nicht weiß, wie ich mit Menschen ohne die technischen Giganten in Kontakt treten kann. Google, Apple und Facebook stellen mein rollierendes Rolodex zur Verfügung …
Am ersten Tag des Blocks fahre ich schweigend zur Arbeit, weil das Unterhaltungssystem „SYNC“ meines gemieteten Ford Fusion von Microsoft betrieben wird. Hintergrundgeräusche verschwinden diese Woche im Allgemeinen, weil YouTube, Apple Music und unser Echo verboten sind – ebenso wie Netflix, Spotify und Hulu, weil sie sich auf AWS und die Google Cloud verlassen, um ihre Inhalte an die Nutzer zu bringen …
Manchmal kann ich einfach keinen digitalen Ersatz finden. Venmo wird ohne Smartphone nicht funktionieren, also bezahle ich unseren Babysitter in bar. Ich beginne, einen physischen Kalender zu verwenden, um meinen Zeitplan zu verfolgen. Wenn es darum geht, sich zurechtzufinden, ist Marble Maps eine Option, aber ich bin verwirrt von der Oberfläche, also halte ich mich an die Orte, die ich kenne, und kaufe eine physische Karte als Backup …“
Der Artikel ist aber nicht nur unterhaltsam, sondern bietet auch viele Denkansätze. Kashmir Hill arbeitet heraus, dass der Schutz der Persönlichkeit oft Geld kostet. Fast alle Angebote, die die Privatsphäre schützen, sind kostenpflichtig, was bedeutet, dass man sich seine Privatsphäre erst einmal leisten können muss.
Dieses Thema wurde zum Beispiel im Podcast „Was jetzt?“ von Zeit online am 11. Januar 2019 diskutiert. Der Aufhänger war die Datenschutz-Kampagne von Apple. Der Podcast hinterfragte, ob es in Ordnung sein kann, dass Menschen, die sich ein iPhone für knapp 1000 € leisten können, einen besseren Datenschutz genießen als User mit einem günstigeren Android-Smartphone. Bei Kashmir Hill liest sich diese Überlegung so:
Eine unbequeme Idee, mit der ich diese Woche immer wieder konfrontiert werde, ist, dass wir, wenn wir von Monopolen und Überwachungswirtschaften wegkommen wollen, möglicherweise die Annahme überdenken müssen, dass alles im Internet kostenlos sein sollte …
Ich bin mir jedoch bewusst, dass nicht jeder 50 Dollar für etwas übrig hat, das er leicht „kostenlos“ bekommen kann, sodass, wenn das der Weg ist, die Reichen online Privatsphäre haben und die Armen (und Schwächsten) ihre Daten ausbeuten lassen.
Zum Schluss kommt sie auf folgendes Fazit:
Kritikern der großen Technologieunternehmen wird oft gesagt: „Wenn Ihnen das Unternehmen nicht gefällt, verwenden Sie seine Produkte nicht.“ Ich habe dieses Experiment gemacht, um herauszufinden, ob das möglich ist, und ich habe herausgefunden, dass es nicht so ist – mit der Ausnahme von Apple.
Ein einigermaßen trauriges Fazit, dass ich nicht ganz abtun möchte.
An vielen Stellen kann es eine Lösung sein, auf Open-Source-Produkte bei Cloud-Anbietern zuzugreifen, die ihr eigenes Rechenzentrum haben.
Wir bieten zum Beispiel Zimbra statt Gmail, Nextcloud statt Dropbox oder Nextcloud-Talk statt Skype an. Dieser Ansatz ist aber mit Kosten verbunden und viele Anbieter (so wie wir auch) richten ihr Angebot nur an Firmen. Eine andere Alternative ist es, diese Lösungen selbst zu hosten, das setzt aber viel technisches Know-how voraus.
An anderen Stellen haben die großen 5 einfach ein Alleinstellungsmerkmal. Amazon Prime oder Netflix gibt es nicht ohne AWS (Amazon Web Services) und eine Alternative für Google ist schwer zu finden (duckduckgo wird zum Beispiel bei AWS gehostet).
Ich empfehle an dieser Stellel den ganzen Artikel zu lesen und für sich selbst zu entscheiden, ob man künftig mehr darauf achtet, welche Services man nutzt. Es muss ja nicht jeder direkt ein digitaler Veganer werden.
Originalartikel:
https://gizmodo.com/i-cut-the-big-five-tech-giants-from-my-life-it-was-hel-1831304194
Der Zeit online-Podcast:
https://www.zeit.de/politik/2019-01/nachrichtenpodcast-was-jetzt-11-01-2019